Parlament bremst sich selbst aus

10.06.2015

Zwei-Stimmen-Mehrheit im Plenum verweigert TTIP-Debatte

Millionen Menschen warten seit Monaten darauf, dass das Europäische Parlament mit Hinblick auf das geplante Freihandelsabkommen eine Position bezieht. Im letzten Moment wurde die Plenarabstimmung jedoch durch den Parlamentspräsidenten ausgesetzt und der Bericht an den Handelsausschuss zurück überwiesen.

Soeben beschloss die Mehrheit aus Europäischer Volkspartei und Konservativen obendrein eine Verschiebung der zugehörigen Aussprache aller Abgeordneten im Plenum, was laut Geschäftsordnung jedoch nicht zulässig ist. Die Linksfraktion im Europaparlament stimmte geschlossen gegen die Vertagung der Debatte und hält es für unverzichtbar, die demokratische Aussprache mit dem Plenum und den lauten Stimmen der parlamentarischen TTIP-Befürworter zu führen. Mit ganz knapper Stimmenmehrheit (183:181) gelang es jedoch der Europäischen Volkspartei, die Debatte zu verschieben. Viele Abgeordnete der S&D enthielten sich der Stimme.

Die Vorsitzende der Linksfraktion Gabi Zimmer dazu im Vorfeld der Abstimmung: „Das ist ein unwürdiges Geschiebe, bei dem wir nicht mitmachen!“

Helmut Scholz, Koordinator für die Fraktion im INTA- Ausschuss, bezeichnete die Verschiebung der Abstimmung als den entscheidenden Fehler – Ausdruck der großen Unsicherheit der Fraktionen von S&D, ECP, ECR und ALDE, dass die umstrittenen ISDS-Regelung im Parlament mehrheitlich hätte heute abgelehnt werden können. Das sollte vermieden werden. Es gelte deshalb, weiter die demokratische Debatte in den Gesellschaften aller EU-Mitgliedstaaten als auch in den USA über die Ziele und Inhalte der Verhandlungen voranzutreiben und die Bürgerinnen und Bürger in diesen Prozess aktiv einzubeziehen.

Hier die ursprünglich vorgesehene Rede des Sprechers für die Fraktion, Helmut Scholz, in der nun vertagten Debatte:

Befürworter von TTIP führen gern an, das Abkommen sei nötig, weil sich die Weltwirtschaft verändert habe. Es stimmt, sie hat sich verändert.

Aber TTIP ist die falsche Antwort.

Wir brauchen kein konfrontatives Bündnis von USA und EU gegen China, Russland und weitere ökonomisch aufstrebende Nationen. Wir müssen unsere Welt vielmehr gemeinsam mit diesen Partnern gestalten. Dafür muss Handelspolitik demokratisch getragen werden.

TTIP ist jedoch nicht nur nach außen eine Konfrontation, sondern auch nach innen. Die Bürgerinnen und Bürger empfinden Ihre Pläne zur regulatorischen Kooperation als Angriff. Was Sie Handelshemmnis nennen, sind in Wahrheit demokratische Errungenschaften.

Konzernen gefällt das vielleicht nicht, aber für unsere Gesellschaft sind die gesetzlichen Standards wichtig. Deshalb unser starker Verteidigungskampf gegen ISDS. Deshalb unser Kampf für gute Arbeit, für gesunde Nahrung, für kommunale Dienstleistungen und gegen TTIP.

Das Parlament wird heute keine Entscheidung treffen. Die großen Fraktionen fürchten wohl die Abstimmung. Frau Kommissarin, ich fordere Sie auf, zumindest die nächste Verhandlungsrunde abzusagen, solange Sie keine Position des Parlaments erhalten haben.

Nutzen Sie die Zeit zum Überdenken Ihrer Handelsstrategie. Geben Sie die Verhandlungen zu TTIP, CETA und TiSA auf. Wir brauchen vielmehr Abkommen zur Förderung des regionalen Handels, zur Bekämpfung von Ausbeutung in den Produktionsketten, zur Bekämpfung von Umweltdumping.

Beginnen Sie dafür einen demokratischen Prozess mit den Bürgerinnen und Bürgern der EU, mit ihren Organisationen und Parlamenten und mit unseren Partnerländern in einer gemeinsamen Zukunft.