EU-Parlament und Mitgliedstaaten: Keine Produkte aus Zwangsarbeit!

Europäisches Parlament, EU-Mitgliedstaaten und EU-Kommission haben sich auf ein Gesetz zum Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit geeinigt. Der Gesetzesvorschlag hat das Ziel, Zwangsarbeit weltweit zu bekämpfen.

Die Vorsitzende des zuständigen Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz und Grüne Schattenberichterstatterin, Anna Cavazzini, kommentiert das Trilogergebnis wie folgt:

"Endlich keine Sklavenarbeit mehr in unseren Produkten! Schätzungen zufolge arbeiten für jede und jeden Europäerin in ihrem Leben 80 moderne Sklaven. Insgesamt leiden 27,8 Millionen Menschen weltweit unter Zwangsarbeit und die von ihnen produzierten Solarzellen oder T-Shirts landen oft in unseren Läden und dann bei uns Zuhause. Damit ist nun Schluss. Die EU wird ihre Marktmacht nutzen, um Zwangsarbeit weltweit den Kampf anzusagen.

Ich begrüße, dass Parlament und Rat heute eine Einigung gefunden haben, sodass das Gesetz noch vor der Europawahl verabschiedet werden kann. Das ist eine gute Nachricht für die Verbraucherinnen und Verbraucher, aber auch für europäische Unternehmen, die aktuell unter Dumping-Importen aus Regionen mit Zwangsarbeit leiden. Ich hätte mir deshalb eine schnellere Umsetzung gewünscht, aber der Rat stellte sich quer. Ich bedauere es sehr, dass sich das Parlament nicht damit durchsetzen konnte, die Wiedergutmachung für die Opfer von Zwangsarbeit zu verankern. Alles in allem ist das Gesetz aber ein Meilenstein für nachhaltige Lieferketten.”

Hintergrund:

Schätzungen zufolge sind weltweit etwa 28 Millionen Menschen von Zwangsarbeit betroffen - fast die Hälfte davon in Asien und im Pazifikraum. Sie ist die extremste Form der Ausbeutung von Menschen und betrifft oft die schwächsten und am stärksten ausgegrenzten Gruppen. Frauen und Mädchen sind beispielsweise stärker gefährdet als Jungen und Männer, und Kinder machen ein Viertel der Zwangsarbeiter aus.

Auf Initiative von Anna Cavazzini und anderen Akteuren hatte die Europäische Kommission im September 2022 einen Gesetzesvorschlag für ein neues Instrument für das Verbot von Produkten, die unter Zwangsarbeit entstanden sind, vorgeschlagen.

Der erste Trilog fand am 30. Januar 2024 statt. Während dieses Trilogs stellten das Parlament und der Rat ihre Mandate und Hauptprioritäten vor, und die Kommission reagierte auf den Standpunkt der Mitgesetzgeber. Zu den diskutierten Punkten gehörten der Governance-Mechanismus, staatlich verordnete Zwangsarbeit und Wiedergutmachung.

 

Wichtige inhaltliche Punkte der Einigung:

 

  1. Staatlich initiierte Zwangsarbeit: Die Kommission hatte eine Definition von staatlichen Behörden auferlegte Zwangsarbeit wird als Einsatz von Zwangsarbeit im Sinne von Artikel 1 des IAO-Übereinkommens über die Abschaffung der Zwangsarbeit, 1957 (Nr. 105), vorgeschlagen. Weiterhin soll die Kommission auf externes Fachwissen zurückgreifen, um eine Datenbank über die Risiken der Zwangsarbeit in bestimmten geografischen Gebieten oder in Bezug auf bestimmte Produkte, einschließlich der von staatlichen Behörden auferlegten Zwangsarbeit, zu erstellen. Das Parlament hatte wiederum ein effektiveres Verbot von Produkten aus staatlich initiierter Zwangsarbeit vorgesehen, da in Fällen wie von Xinjiang ein Sammeln der notwendigen Beweise in der Regel nicht möglich ist. So hatte das Parlament vorgeschlagen, dass die Kommission bestimmte Sektoren in Regionen festlegen soll, in denen es überwiegend staatlich initiierte Zwangsarbeit gibt. Wenn Behörden dann feststellen, dass Produkte aus diesen Sektoren in den Regionen kommen, dann sollen sie verboten werden können, wenn die Wirtschaftsakteure nicht nachweisen können, dass keine Zwangsarbeit in der Lieferkette ist. Der Rat hatte die von der Kommission vorgeschlagene Definition nicht verändert, aber er hatte die Kommission damit beauftragt eine Datenbank einzurichten, die Informationen über die Risiken der Zwangsarbeit in bestimmten geografischen Gebieten oder in Bezug auf bestimmte Produkte, einschließlich der von staatlichen Behörden auferlegten Zwangsarbeit, enthält. Die drei Institutionen konnten sich darauf einigen, dass die Experten in der Datenbank auch Sektoren in Regionen mit staatlich initiierter Zwangsarbeit identifizieren sollen und dass die Behörden auf der Grundlage von anderen verfügbaren Informationen im Falle von staatlich initiierter Zwangsarbeit die Entscheidung für das Verbot von einem Produkt fällen können.
  2. Governance - Verteilungsschlüssel der Investigationen und Ressourcen für die Kommission: Die Europäische Kommission hatte vorgeschlagen, dass die EU Mitgliedstaaten kompetente Behörden ernennen und dann die Untersuchungen über die Produkte durchführen müssen. Das Europaparlament hatte die EU Kommission als eine weitere kompetente Behörde hinzugefügt, sodass auch manche die Kommission Untersuchungen durchführen kann. Die Mitgliedsstaaten wiederum hatten in ihrer Position festgelegt, dass fast alle Untersuchungen von der Kommission durchgeführt werden sollen. In der Trilogverhandlung haben sich die drei Parteien jetzt darauf geeinigt, dass die Kommission alle Untersuchungen außerhalb der EU und die Mitgliedstaaten die Untersuchungen innerhalb ihres eigenen Landes durchführen sollen.
  3. Wiedergutmachung für die Opfer von Zwangsarbeit: Der Vorschlag bezieht sich zwar in einer Reihe von Fällen auf die allgemeine Milderung der Auswirkungen von Zwangsarbeit, aber es gibt keinen speziellen Hinweis auf Abhilfemaßnahmen für Opfer von Zwangsarbeit. Das Europaparlament hatte diese Vorkehrungen deutlich stärker gemacht in dem sie forderten, dass Unternehmen, dessen Produkte unter Zwangsarbeit hergestellt wurden und deren Import dann verboten wurde, eine Entschädigung an die betroffenen Arbeitnehmer*innen zahlen müssen und Zwangsarbeit aus ihren Lieferketten säubern, bevor der Einfuhrstopp wieder aufgehoben wird. Wie gut dies funktionieren kann, sieht man an dem bekannten Fall des amerikanischen Unternehmens Top Glove, das 53 Millionen Ringgit (12,65 Millionen Dollar) an Entschädigungszahlungen für rund 10 000 ausländische Arbeitnehmer*innen aus Bangladesch, Nepal, Indonesien, Myanmar und Kambodscha zahlen musste. Für den Rat war das allerdings eine rote Linie. Das Parlament konnte nur erreichen, dass Wirtschaftsakteure in der Untersuchung freiwillig nachweisen können, dass sie Wiedergutmachung an die Opfer von Zwangsarbeit gezahlt haben und eine Überprüfung auf eine zukünftige Aufnahme von Wiedergutmachung wurde in die Überprüfungsklausel aufgenommen.
  4. Beschlüsse der Kommission: Der Rat hatte vorgeschlagen, dass die Kommission die Entscheidung via einer Durchführungsrechtsakte fällt, die allerdings von einer kleinen Anzahl an Mitgliedsstaaten blockiert werden kann. Das Europaparlament war dagegen, denn es wollte die Entscheidungen nicht politisieren, sondern, dass es eine administrative Entscheidung ist. Das Verhandlungsergebnis ist, dass die Kommission ihre Entscheidung in einer Durchführungsrechtsakte fällt, wobei die Mitgliedsstaaten beratend unterstützen können.
  5. Entsorgung von Produkten im Falle einer Unterbrechung der Lieferkette: Der Rat konnte sich damit durchsetzen, dass bei kritischen Produkten die Entscheidung über die Beseitigung hinausgezögert wird, bis der Wirtschaftsakteur seine Lieferkette gereinigt hat und das Produkt dann weiterverwenden kann. 
  6. Zeitrahmen für die Implementierung: Während das Europaparlament den zuständigen Behörden nur zwei Jahre für die Umsetzung geben wollte, haben sich die Institutionen darauf geeinigt, dass das Gesetz in drei Jahren in Kraft tritt.

Foto: Pixabay

 

 

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