Malmö ist die neue Fair-Trade-Stadt

Von Marion Bergermann

Beim Bio-Friseur die Haare färben lassen, in über 200 Geschäften Fair-Trade-Produkte kaufen, mit elektrobetriebenen Bussen fahren. Ganz schön vorbildlich, was Malmö im Süden Schwedens im Bereich Nachhaltigkeit alles geschafft hat. Malmö will eine der Weltbesten in nachhaltiger Stadtentwicklung werden. Innerhalb der EU hat die ehemalige Industriestadt den Titel nun vorläufig bekommen. Die Europäische Kommission hat Malmö am Freitagmittag als Stadt für fairen und ethischen Handel („EU Cities for Fair and Ethical Trade Award“ - https://www.trade-city-award.eu/) ausgezeichnet. Den Preis gibt es für Bemühungen im nachhaltigen, fairen und ethischen Handel mit sogenannten Drittstaaten, also Ländern außerhalb der Europäischen Union.

Die Verleihung fand in Gent statt, weil die belgische Stadt 2018 als erste den damals neu gegründeten Award gewonnen hatte. Nun wurde er dieses Jahr zum zweiten Mal verliehen, wegen der Corona-Pandemie größtenteils über Livestream. Die Generaldirektion Handel der EU-Kommission vergab ihn in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Handelszentrum (ITC -  https://www.intracen.org/). Die gemeinsame Agentur von Welthandelsorganisation und den Vereinten Nationen unterstützt kleine Unternehmen in ärmeren Ländern.

„In der heutigen miteinander verbundenen Welt hat es positive Nachwirkungen auf die Existenzgrundlage von Menschen und die Umwelt, nachhaltigere Entscheidungen auf lokaler Ebene in der Europäischen Union zu treffen“, sagte Pamela Coke-Hamilton, Exekutiv-Direktorin des Internationalen Handelszentrums am Freitag per Internetstream aus Genf. „Eine progressive und inklusive Handelspolitik ist ein sehr wichtiger erster Schritt. Aber Veränderung in der breiten Öffentlichkeit beginnt mit konkreten Aktionen von lokalen Behörden und aktiven Bürgern“, sagte EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis während der Verleihung per Videobotschaft.

Hintergrund des Preises ist die „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“, auf die sich alle Mitglieder der Vereinten Nationen vor fünf Jahren geeinigt hatten. Diese beinhaltet 17 Ziele, unter anderem die Förderung von nachhaltigem Konsum und Produktion. Dahinter steckt der Ansatz, dass Verbesserungen in ärmeren Ländern möglich sind, wenn das Verbraucherverhalten in den Industriestaaten bewusster wird. Und dass alle verantwortlich sind und handeln können.

Fairer Handel als Standard

„Unser gemeinsames Ziel sollte es sein, fairen Handel zur normalen Form von Handel zu machen“, sagte Helmut Scholz, Jurymitglied und handelspolitischer Sprecher der Linken im EU-Parlament, während der Verleihung. Malmö gewann auch wegen der „Idee, über die traditionelle Produktpalette von Fair-Trade-Läden hinauszudenken und ein Projekt für nachhaltige Batterien zu starten“. Die Kreislaufwirtschaft sei ein sehr wichtiges Feld der Zusammenarbeit zwischen den Kontinenten, teilte Scholz mit.

Malmö will mehr E-Mobilität im öffentlichen Nahverkehr und sich dafür mit der Entwicklung von sogenannten ethischen Batterien auseinandersetzen. Das heißt, dass darauf geachtet werden soll, unter welchen Umständen die Energielieferer für die Elektromobilität hergestellt werden. Bisher werden die Rohstoffe für Batterien in Elektrofahrzeugen nämlich oft unter widrigen Arbeitsbedingungen aus Minen gewonnen.

Das Vorhaben der schwedischen Stadt honorierte die Europäische Kommission nun. Sie sieht Städte als wichtige Orte für Veränderungen und Innovation. Schließlich ist der weltweite Trend, dass immer mehr Menschen in Städte ziehen und diese wachsen, auch in Europa zu erkennen. Nur noch rund 30 Prozent der 447 Millionen EU-Bürger*innen leben laut dem Statistischen Amt der EU in ländlichen Gegenden und auf Dörfern.

Nicht nur der Kaffee in der Kantine

Malmö nahm sich bereits früh vor, bei Fair Trade vorne mitzuspielen. 2006 ernannte es sich zur ersten Fairtrade-Stadt Schwedens. Seit Jahren wirbt sie mit dem Slogan, dass es dort leicht sein müsse, das Richtige zu tun. Etwa, sich für fair gehandelte Kleidung oder lokales Bio-Essen zu entscheiden. Mittlerweile ist der umweltfreundliche Friseurladen, der versucht, auf chemische schädliche Substanzen zu verzichten, eines von vielen Geschäften mit Bio-Anspruch. Vor vier Jahren gaben 80 Prozent der Bewohner*innen Malmös in einer Umfrage an, manchmal oder oft Produkte mit Fair-Trade-Logo zu kaufen. Die Stadt will den Konsum der Bürger*innen ökologischer und nachhaltiger gestalten, aber auch den Verbrauch ihrer eigenen Verwaltung. Dabei geht es nicht nur um Kaffee in der Kantine, sondern auch etwa um die IT-Ausstattung.

Und während dank der Coronakrise Metropolen auf die Idee kommen, einige Kilometer Popup-Radwege abzuzwacken, gibt es in der 300 000 Einwohner*innen-Stadt Ampeln an Straßenkreuzungen, die sofort auf Grün schalten, wenn nur Radfahrende und keine Autos warten. Aber natürlich gibt es auch in der Hafenstadt Probleme. Die Arbeitslosigkeitsrate war vergangenes Jahr mit rund 14 Prozent fast doppelt so hoch wie durchschnittlich in Schweden.

Als Gewinnerin darf Malmö nun zusammen mit dem ITC ein Projekt in einem Land außerhalb der EU umsetzen. Die letzte Gewinnerin Gent hatte eines in Sahnewal, Indien realisiert, um die schlechten Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie sichtbarer zu machen.

Die Jury vergab am Freitag weitere Preise an Stuttgart (Kategorie: 'beste Ergebniskontrolle'), Bremen ('beste globale Partnerschaften'), Göteborg ('beste öffentliche Beschaffung'), Jelenia Góra ('aufstrebende Champions') und Neumarkt ('bestes Engagement der Gemeinde'). Die Städte werden Teil eines Netzwerkes, in dem sie sich miteinander über nachhaltige Ideen austauschen können. Elf Städte aus sechs Mitgliedsländern hatten sich beworben. Städte in der EU mit mindestens 20 000 Einwohner*innen konnten sich bewerben.

(Eine gekürzte Version des Textes ist auf https://www.neues-deutschland.de/ erscheinen.)

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