Was ist TTIP?

Was ist das und warum sind wir dagegen?

Die EU und die USA verhandeln derzeit ein umfassendes Freihandels- und Investitionsabkommen, genannt TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership; dt.: Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft). Der neu entstehende Handelsraum wäre die weltweit größte Freihandelszone mit rund 820 Millionen Einwohner*innen und fast der Hälfte der globalen Wirtschaftsleistung. Bei den TTIP-Verhandlungen geht es nicht primär um den Abbau von Zöllen oder Einfuhrbestimmungen, wie bei klassischen Freihandelsabkommen. Das Ziel ist, verbindliche Regeln für Wirtschaft und Politik auf beiden Seiten des Atlantiks zu schaffen, um "Handelshemmnisse" aus dem Weg zu räumen. Es geht dabei u.a. um gemeinsame technische Standards, Zulassungsverfahren, Vorgaben im Umwelt- und Verbraucherschutz oder Arbeitnehmer*innenrechte – alles, was den Interessen der Konzerne und Unternehmen im Weg steht, kann als Handelshemmnis deklariert werden. TTIP wird damit zentrale Bereiche unseres Alltags, der Arbeit und der Produktion neu gestalten. Bisher gab es noch nie einen so umfassenden Vertrag, der in so viele Bereiche des Wirtschaftslebens eingreift. Das Abkommen ist faktisch unumkehrbar, Änderungen können nur mit Zustimmung aller beteiligten Staaten beschlossen werden.

Die TTIP-Verhandlungen sind intransparent und undemokratisch!

Die TTIP-Verhandlungen finden hinter verschlossenen Türen statt, die konkreten Inhalte sind geheim. Die Berichte der EU-Kommission zum Stand der Verhandlungen sind sehr allgemein gehalten und ähneln eher unverbindlichen Absichtserklärungen. Weder die EU-Mitgliedsstaaten noch die Abgeordneten des Europäischen Parlaments haben vollen Zugang zu den Dokumenten. Bestimmte Texte bzw. Textabschnitte können von ausgewählten Abgeordneten in einem "Reading Room" eingesehen werden, allerdings dürfen die Informationen an niemanden weitergegeben werden. In die Texte sind Fehler eingebaut, um bei einer Veröffentlichung die Quelle identifizieren zu können.

Im Gegensatz dazu haben Interessenvertreter*innen die Wirtschaft über eine geschützte Webseite exklusiven Zugang zu den Dokumenten. Es spricht einiges dafür, dass Unternehmen und Lobbyverbände ihre Wünsche durch Stellungnahmen und Gutachten einbringen können. Bereits vor Beginn der offiziellen Verhandlungen haben Lobbyist*innen erheblichen Einfluss auf das geplante Abkommen ausgeübt: Von 130 Gesprächen, die eine von EU und USA eingesetzte Arbeitsgruppe (High Level Working Group, HLWG) zur Vorbereitung der Verhandlungen durchführte, fanden 119 mit Vertreter*innen der Wirtschaft statt, nur 11 mit Verbraucherschutzgruppen.

TTIP installiert geheime Schattengerichte für Unternehmen!

Investitionsschutzabkommen sind internationale völkerrechtliche Verträge, die Streitigkeiten zwischen Staaten und Unternehmen regeln, z.B. im Falle von Enteignungen. TTIP umfasst auch ein Investitionsabkommen, das Investitionen in anderen Staaten erleichtern und den Wert getätigter Investitionen schützen soll. Allerdings kann das auch Maßnahmen zum Umweltschutz, Arbeitnehmer*innenrechte oder die Besteuerung von Unternehmen betreffen. Mit diesem Sonderklagerecht können Unternehmen Schadenersatz fordern, wenn politische Regelungen und Maßnahmen ihre Gewinne beeinträchtigen. Z.B. hat der schwedische Stromkonzern Vattenfall die Bundesregierung wegen des Atomausstiegs auf mehrere Milliarden Euro Schadenersatz für entgangene Gewinne verklagt.

Diese so genannten Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren sind im Grunde eine Paralleljustiz für Unternehmen, da sie rechtsstaatliche Grundsätze verletzen: Sie werden nicht vor herkömmlichen Gerichten verhandelt, sondern vor einem privaten internationalen Schiedsgericht entschieden. Die Entscheidungen werden nicht von unabhängigen Richter*innen getroffen, sondern von juristischen Fachleuten, zumeist internationale Wirtschaftsanwält*innen. Schiedssprüche sind bindend und weltweit gültig, die verklagten Staaten können weder in Berufung noch in Revision gehen. Viele Fälle bleiben geheim, da die Regierungen oftmals die Parlamente nicht darüber informieren dürfen.

Bislang haben alle EU-Staaten unabhängig voneinander eigenständige Investitionsschutzabkommen ausgehandelt. TTIP würde einen gemeinsamen Standard etablieren, dem sich alle beteiligten Staaten unterwerfen müssten. Mit dieser EU-weiten Entmachtung von Rechtsprechung und Parlament würden Konzerne privilegiert, der Rechtsstaat ausgeschaltet und die Demokratie ausgehebelt.

TTIP gefährdet den Verbraucherschutz!

Im Bereich des Verbraucherschutzes treffen zwei unterschiedliche System aufeinander: In der EU herrscht bislang das Vorsorgeprinzip. Produzenten müssen demnach nachweisen, dass ihre Produkte unbedenklich sind – vom Feld bis zum Teller. In den USA gilt die Beweispflicht: Hier muss zunächst eine Gefährdung nachgewiesen werden. Bei der Angleichung der Regeln und Qualitätsstandards ist es sehr unwahrscheinlich, dass die gesetzlichen Bestimmungen in den USA auf das Niveau der EU angehoben werden; wahrscheinlicher ist ein Aufweichen der EU-Standards auf US-Niveau. Bisher nicht zugelassene Produkte (z.B. Genmais, Chlorhühnchen, Hormonfleisch) könnten von US-amerikanischen Unternehmen auf den europäischen Markt gebracht werden. Umgekehrt könnten europäische Unternehmen nicht ausreichend geprüfte Medikamente und medizinische Hilfsmittel in die USA exportieren.

TTIP zerstört unsere Umwelt!

Dank ihrer in TTIP garantierten juristischen Sonderstellung könnten Konzerne derzeit bestehende Umweltschutzbestimmungen in der EU kippen. Auch die Schaffung neue Gesetze zum Schutz von Umwelt und Klima könnten im Keim erstickt werden, egal ob sie vom Staat oder von Bürgerinitiativen ausgeht. So können sich Anti-Fracking-Initiativen ihre Zukunft im Falle einer Ratifizierung von TTIP am Beispiel Kanada ausmalen: Auf den Druck der Bevölkerung erließ die Regierung Kanadas ein Moratorium gegen Fracking, ein US-Konzern fordert jetzt vor einem Schiedsgericht Entschädigung oder eine Rücknahme des Moratoriums.

TTIP ist ein Angriff auf das Arbeitsrecht!

TTIP bedroht auch die Rechte der Arbeitnehmer*innen. Wenn die Arbeitsstandards von EU und USA angeglichen werden, könnte das Ergebnis einige Errungenschaften des letzten Jahrhunderts zunichte machen Die USA haben nur wenige grundlegende Rechte für Arbeitnehmer/innen anerkannt (sechs von acht ILO Kernarbeitsnormen nicht anerkannt, z.B. das Recht Gewerkschaften zu bilden oder eine Garantie für geschlechtsunabhängiges Gehalt).

TTIP gefährdet öffentliche Daseinsvorsorge!

Öffentliche Dienstleistungen sollen „auf dem höchsten Liberalisierungsniveau“ festgeschrieben werden. Damit werden einmal erfolgte Privatisierungen nur noch schwer umkehrbar, auch wenn die Mehrheit der Bevölkerung dies fordert. Durch CETA würden zudem alle staatlichen Aufträge und Dienstleistungen, die in der EU für private Unternehmen geöffnet sind und europaweit ausgeschrieben werden müssen, auch für kanadische Unternehmen geöffnet werden. Umgekehrt müssten auch kanadische Kommunen ihre Aufträge an europäische Konzerne vergeben, wenn diese billiger sind. Öffentliche Aufträge würden dadurch noch weiter einer Markt- und Wettbewerbslogik unterworfen. Lokale Wirtschaftsförderung oder sozial-ökologische Beschaffung würde erschwert und zum Teil verboten.

TTIP gefährdet den Datenschutz!

Bislang verhindern Datenschutzgesetze in der EU den grenzüberschreitenden Handel mit Kundendaten und schützen unsere digitalen Bürgerrechte. Aber auch hier sind die hohen EU-Standards bedroht: Lobbygruppen wie die „Digital Trade Coalition“ drängen die US-Delegation, einen freien Datenfluss zu verhandeln.

TTIP entfesselt die Finanzmärkte!

Die nach der Finanzkrise vorsichtig begonnenen Versuche den Finanzmarkt zu regulieren könnten von TTIP zunichte gemacht werden. Anders als bei den Arbeits- und Verbraucherstandards ist das Niveau Finanzmarktregulierung in den USA höher als in der EU. Noch ist nicht klar, in welchem Rahmen die Finanzmärkte in den Vertrag eingebunden werden, Finanzmarkt-Deregulierung
aber es könnte durch eine "Harmonisierung" der Handelsbestimmungen durch TTIP gerade in den USA zu einer Deregulierung kommen. Besonders zwei Punkte werden von der EU angegriffen: der sogenannte „Economic Needs Test“ (Prüfung von Finanzprodukten auf volks-wirtschaftliche Notwendigkeit) und die 2015 in Kraft tretende “Volcker-Regel”, die den gefährlichen Eigenhandel der Geschäftsbanken begrenzt. Aber auch gegen alle andere Bemühungen die Macht der Banken an die Leine zu legen wird gearbeitet. Nach dem Willen der Wall Street Banker, die die US-Verhandlungsführer "beraten", sollen Toxische Derivate nicht verboten, Versicherungen nicht reguliert und ausländische Banken bei ihren Geschäften in den USA nicht den dortigen Regeln unterworfen werden.

TTIP vergrößert die globale Ungerechtigkeit!

Wenn Europa und die USA sich untereinander auf eine Liberalisierung ihres Handels einigen, werden automatisch alle anderen ausgeschlossen. Die Gefahr ist groß, dass am Ende nur Handelsströme umgeleitet werden, statt dass neue entstehen. Selbst wirtschaftsnahe Institute gehen von Handelsumlenkungen und Wohlfahrtsverlusten für Handelspartner der EU und der USA aus. Es würde ein Anpassungsdruck insbesondere für Entwicklungs- und Schwellenländer entstehen, ihre Normen und Standards zu senken.

Innerhalb des Blocks wären die Mitgliedsstaaten durch die wechselseitigen Abkommen eng miteinander verbunden, sowohl im direkten Handel als auch hinsichtlich Normen und Regelungen in diversen Lebensbereichen. Die Macht innerhalb dieses Konstrukts läge im Endeffekt nicht mehr bei den nationalen Regierungen, sondern bei multinationalen Konzernen, die dank des umfassenden Investitionsschutzabkommens nationales Recht aushebeln könnten.

Die politischen Forderungen der LINKEN im Europaparlament

  • Wir wollen weltweit Lohn-, Sozial- und Umweltdumping verhindern.
  • Wir wollen hohe Qualitätsstandards für Konsumgüter und Dienstleistungen in der EU und in den USA.
  • Wir wollen Unternehmen für Verstöße gegen diese Standards weiter zur Rechenschaft ziehen können.
  • Wir wollen das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) stoppen. Mit den Kritikerinnen und Kritikern in Europa und den USA werden wir den Widerstand gegen TTIP in Parlamenten und auf der Straße lautstark vertreten, uns vernetzen und austauschen.